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Bundestags Mining – Teil 4

Schauen wir uns mal die Entwicklung der Berufszugehörigkeiten über die Zeit an. Leitfrage soll ja sein:

Detailfrage 8: diversifiziert sich der Bundestag mit der Zeit über die Milieus hinweg (bildet also die Vielfalt der Berufsgruppen der Wähler zunehmend breit gefächert ab)? Oder sind wir auf dem Weg in eine Situation, in der der Berufspolitiker im Wesentlichen nur einen kleinen Teil der Bevölkerung (studierte Bürokräfte) repräsentiert?

Die Daten sprechen hier eine ganz deutliche Sprache:

Früher nahezu ausgeglichen, heute extrem unbalanciert: das Verhältnis von Juristen (rot), Kaufleuten (blau) und Land- und Forstwirten (grün) im Bundestag

Leider scheint eindeutig zweiteres der Fall zu sein; waren früher ähnlich viele Kaufmänner wie Landwirte oder Juristen im Bundestag vertreten, ist das Verhältnis inzwischen zu einem deutlichen 1:10 Missverhältnis Landwirt – Jurist gekippt. Überhaupt haben die Juristen eine absolut dominierende Rolle in der Verteilung. Man kann davon ausgehen, dass diese Art der beruflichen Monokultur sich – wenn auch unbeabsichtigt – in einer entsprechenden Klientelpolitik für gut ausgebildete und gut situierte Wähler niederschlägt.

Beobachtung: der Bundestag hat eine Entwicklung von einer relativ ausgeglichenen Vertretung verschiedenster Berufsfamilien (Juristen, Kaufleute, Landwirte) hin zu eine Monokultur von Juristen, Berufspolitikern und Lehrern vollzogen.

Dazu kommt, dass auch die anderen wachsende Berufsgruppen – wie etwa der Geisteswissenschaftler im Parlament – auch nicht gerade der Vertretung aus dem wenig gebildeten und / oder Arbeitermilieu dienlich sind.

Auch bei Betrachtung von Berufsgruppen, die insgesamt seltener vertreten sind, ist der Trend zur beruflichen Monokultur deutlich sichtbar:

Früher relativ ausgeglichen, heute sehr unbalanciert: Verteilung von Lehren (gelb), Handwerkern (pink) und Hausfrauen (lila)

Waren in der 1960er Jahren noch annähernd gleich viele Lehrer, Handwerker und Hausfrauen im Bundestag vertreten, zeichnet sich seit den 1980er Jahren ein deutlicher Trend zugunsten der Lehrerschaft ab. Die Bezeichnung der Hausfrau findet sich heute faktisch gar nicht mehr bei den Volksvertretern, dabei bilden sie offensichtlich „die mit Abstand größte Berufsgruppe in Deutschland“ – so viel zum Thema der repräsentativen Demokratie.

Beobachtung: Neben den Landwirten sind auch weitere große Berufsgruppen wie Handwerker und Hausfrauen weitgehend aus dem Parlament verschwunden.

Neben dem generellen Trend zur Monokultur (nur wenige Berufsgruppen sind überhaupt signifikant vertreten) zeichnet sich auch eine Tendenz weg vom Arbeiter hin zum Akademiker / Büroangestellten ab:

Das zahlenmäßige Verhältnis von Land- und Forstwirten (grün) zu Betriebswirten (lila) hat sich in den letzten Jahren umgekehrt.

So wurde der anfänglich noch häufig auftauchende Beruf des Landwirts nach und nach durch den des Betriebswirts verdrängt.

Auch bei den akademischen Berufe lassen sich beide Trends deutlich beobachten:

1. steigt der reine Anteil z.B. an Geistes- und Naturwissenschaftler (im Gegensatz zu bodenständigeren Berufen wie etwa Handwerkern)

2. kippt auch hier innerhalb dieser Berufsgruppe die zwischenzeitlich ziemlich ausgeglichene Verteilung zugunsten eines einzigen Typus (hier: Geisteswissenschaften dominieren inzwischen Natur- oder Wirtschaftswissenschaften, während die Verteilung zwischenzeitlich zumindest deutlich ausgeglichener war.)

Der Anteil der Akademiker im Bundestag wächst und darunter überproportional stark der der Geisteswissenschaftler (schwarz) gegenüber den Natur- (orange) und Wirtschaftswissenschaftlern (rosa)

Beobachtung: die Akademisierung des Bundestages zeigt sich auch in der zahlenmäßigen Zunahme von Wissenschaftlern, wobei hier die Geisteswissenschaftler inzwischen zahlenmäßig deutlich dominieren, während es in den 2000ern noch ein ausgeglicheneres Verhältnis zwischen Geistes- und Naturwissenschaftlern gab.

1 Kommentar

  1. THO

    Sehr schöne Abendlektüre, vielen Dank dafür!

    Das ist die Mischung, die mein Data Science Herz aufgehen lässt:
    – wie die Analysen immer aufwendiger werden, weil noch kurz Word Embeddings, ein Dashboard oder Regexe eingebaut werden sollen
    – wie der Perfektionismus durchkommt und immer noch erklärt wird, dass ja alles nicht sauber ist und was man alles noch zusätzlich machen könnte
    – wie gleichzeitig aber doch ganz viele verschiedene Themen integriert werden, in diesem Fall gesellschaftlicher Natur (gendergerechte Berufe, Anteil an Single-Haushalten oder oder oder)
    – und am Schluss irgendwie der rote Faden noch da ist und die Handlungsempfehlungen rüberkommen

    Und ja, ich hätte 1000e Ideen, wo man nochmal reinschauen könnte. Beispielsweise nimmt der Anteil der Personen in Erwerbstätigkeit in der Landwirtschaft nun auch in der Gesamtbevölkerung ab (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/242856/umfrage/bedeutung-der-landwirtschaft-nach-anzahl-der-erwerbstaetigen/), was aber sicherlich nicht gegen die These spricht, dass keine repräsentative Vertretung vorhanden ist. Und warum dürfen Politiker nach einer Scheidung nicht wieder verheiratet sein? Und wollen wir überhaupt lieber ältere PolitikerInnen, weil sie mehr Erfahrung haben, oder lieber jüngere und ledige NaturwissenschaftlerInnen, die anders denken? Vielleicht checke ich doch lieber nochmal die wahl-o-mat Analyse von David Kriesel, da gibt es zumindest nur endliche Optionen 😉

    Und ja: Warum gibt es eigentlich kein Python-Paket, das gendern kann? Gibt es nicht schon genug Texte, bei denen man die Wortneuschöpfungen rausziehen könnte? Mit *chen, Innen oder sonstwas? Mal auf die endlose Liste guter Ideen setzen, vielleicht kommt ja mal so richtig schlechtes Wetter …

    Aber auch aus technisch-finanziellem Interesse: Warum kostet dein Dashboard nur in ECR und nichts in ECS? Gibt es da keine Run Costs? Das Dashboard ist ja immerhin öffentlich erreichbar und nutzbar und der Container läuft doch bestimmt auch dauerhaft.

    Zum Schluss, completely unrelated, warum fehlt im Seitentitel und Footer das R? Das triggert mich 😉

    Also Danke nochmal, war schön zu lesen.

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