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Bundestags Mining – Teil 4

Zusammenfassung

Der Bundestag ist eine Monokultur. Hier finden sich, genau dem Klischee entsprechend, ganz überwiegend christliche, verheiratete Akademiker um die 50 mit 1 bis 3 Kindern. Muslime findet man hier genau so wenig wie sehr junge Menschen, Geschiedene oder Menschen aus dem Arbeitermilieu. Lediglich im Bereich der Geschlechterverteilung lässt sich ein deutlicher Trend zur repräsentativen Verteilung feststellen.

Die Frage ist, inwiefern diese eine vermeintlich ausgleichende Tendenz (Zunahme des Frauenanteils) dem nicht-repräsentierten Teilen der Bevölkerung etwas bringt. Ich jedenfalls kann mir vorstellen, dass die alleinerziehende Mutter, die als Reinigungskraft in prekären Verhältnissen lebt, sich eher durch einen (männlichen) ehemaligen Kioskbesitzer vertreten fühlen würde, als durch eine (weibliche) studierte Juristin aus gutbürgerlichen Verhältnissen. Ich fühle mich ja nicht durch jede andere Frau automatisch verstanden und vertreten, nur weil sie auch eine Frau ist. Ich habe mehr Gemeinsamkeiten und ähnliche Vorstellungen von der Welt mit einer Person meines Alters, die meinen Beruf, meinen Familienstand, meinen Lebensalltag, meine Bildungslaufbahn und damit meine Erfahrungen teilt – egal ob Mann oder Frau. Insofern ist meiner Meinung nach die Forderung nach einer Frauenquote im Bundestag reine Augenwischerei, solange man der Religions-, Einkommens-, Bildungs- und Altersmonokultur des Bundestages nichts entgegenzusetzen weiß.

Frage: Wie könnte man dieser Tendenz zur Monokultivierung entgegentreten? Wir leisten uns eines der größten und teuersten Parlamente der Welt. Sollte dann nicht auch unsere Bevölkerung mit all seiner Vielseitigkeit halbwegs angemessen vertreten sein?

Ich bin klar gegen jede Quote (egal ob in Bezug auf Geschlecht, Alter oder was auch immer), weil ich der Meinung bin, dass so etwas lebendiges, vernetztes, wachsendes wie ein Arbeitskontext (egal, ob im Bundestag oder in sonst einer Firma) nicht mit so etwas starrem und unlogischem wie einer festen Quote sinnvoll gelenkt werden kann. Noch dazu muss jede Quote ungerecht sein, weil sie eben immer eine Gruppe diskriminiert. Man stelle sich vor, ein Richter bekäme die Auflage, genau 50% der lebenslangen Gefängnisstrafen müssten auf Frauen entfallen! Jedem muss sofort ersichtlich sein, dass so ein absurdes System nichts mit Leistungs- (oder eben Straf-) Gerechtigkeit zu tun haben kann.

Die Unbalanciertheit des Bundestages in Bezug auf Alter, Bildung, Familienstand und Religion der Abgeordnete ist ja auch nicht selbst das Problem sondern vielmehr ein Symptom. So ist davon auszugehen, dass die Bubble der potentiellen Bundestagsabgeordneten inzwischen sehr klein und zu abgeschlossen ist; die Karriere vieler Abgeordneter fing schon zu Gymnasialtagen (! es gibt nicht so viele ehemalige Hauptschüler im Bundestag…) an, wenn die Kinder aus entsprechenden politischen interessierten und akademischen Milieus früh genug für Politik interessiert und beim lokalen Engagement unterstützt wurden. Menschen, denen aufgrund ihrer privaten Situation beim Start in das Berufsleben aber einfach die Zeit fehlte, sich so zu engagieren (das gilt für den 70 Stunden die Woche arbeitenden Koch genau so wie für die Medizinstudentin, die sich voll auf ihre Studium konzentriert oder den erfolgreichen Jungunternehmer, der in den 20ern ein Startup gründet), dürfte in der Regel alleine schon aufgrund der fehlenden zeitlichen Investition in Netzwerke in dem Bereich schon die Vorstufe zu einem Listenplatz vermutlich verwehrt sein. Gerade dadurch fehlt aber eine Vertretung ganzer Berufsgruppen im Bundestag.

1 Kommentar

  1. THO

    Sehr schöne Abendlektüre, vielen Dank dafür!

    Das ist die Mischung, die mein Data Science Herz aufgehen lässt:
    – wie die Analysen immer aufwendiger werden, weil noch kurz Word Embeddings, ein Dashboard oder Regexe eingebaut werden sollen
    – wie der Perfektionismus durchkommt und immer noch erklärt wird, dass ja alles nicht sauber ist und was man alles noch zusätzlich machen könnte
    – wie gleichzeitig aber doch ganz viele verschiedene Themen integriert werden, in diesem Fall gesellschaftlicher Natur (gendergerechte Berufe, Anteil an Single-Haushalten oder oder oder)
    – und am Schluss irgendwie der rote Faden noch da ist und die Handlungsempfehlungen rüberkommen

    Und ja, ich hätte 1000e Ideen, wo man nochmal reinschauen könnte. Beispielsweise nimmt der Anteil der Personen in Erwerbstätigkeit in der Landwirtschaft nun auch in der Gesamtbevölkerung ab (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/242856/umfrage/bedeutung-der-landwirtschaft-nach-anzahl-der-erwerbstaetigen/), was aber sicherlich nicht gegen die These spricht, dass keine repräsentative Vertretung vorhanden ist. Und warum dürfen Politiker nach einer Scheidung nicht wieder verheiratet sein? Und wollen wir überhaupt lieber ältere PolitikerInnen, weil sie mehr Erfahrung haben, oder lieber jüngere und ledige NaturwissenschaftlerInnen, die anders denken? Vielleicht checke ich doch lieber nochmal die wahl-o-mat Analyse von David Kriesel, da gibt es zumindest nur endliche Optionen 😉

    Und ja: Warum gibt es eigentlich kein Python-Paket, das gendern kann? Gibt es nicht schon genug Texte, bei denen man die Wortneuschöpfungen rausziehen könnte? Mit *chen, Innen oder sonstwas? Mal auf die endlose Liste guter Ideen setzen, vielleicht kommt ja mal so richtig schlechtes Wetter …

    Aber auch aus technisch-finanziellem Interesse: Warum kostet dein Dashboard nur in ECR und nichts in ECS? Gibt es da keine Run Costs? Das Dashboard ist ja immerhin öffentlich erreichbar und nutzbar und der Container läuft doch bestimmt auch dauerhaft.

    Zum Schluss, completely unrelated, warum fehlt im Seitentitel und Footer das R? Das triggert mich 😉

    Also Danke nochmal, war schön zu lesen.

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