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Monat: September 2021

BundestagsMining – Nachtrag: Berufsverteilung nach Partei

Wegen einiger Nachfragen speziell zu dem Thema möchte ich hier noch als Nachtrag einer Aufschlüsselung der Berufsgruppen *pro Partei* liefern.

Für mich bleibt auch nach dieser Auswertung der generelle Eindruck aus Teil 4 meiner Blogserie relevant:

  1. Die Monokultivierung des Bundestages in beruflicher Hinsicht zugunsten der Gruppen: Juristen, Lehrer, Berufspolitiker (bei gleichzeitigem Verlust der Berufsgruppen: Kaufleute, Landwirte, Handwerker, Hausfrauen)
  2. Eine Akademisierung des Bundestages: eine starke Zunahme des Akademikeranteils insbesondere im Bereich der Geisteswissenschaften (bei verhältnismäßig wenigen Naturwissenschaftlern und Medizinern)

Dadurch insgesamt das Fehlen ganzer Berufsgruppen

  1. aus dem nicht-akademischen Bereich (Handwerker, Landwirte, Pflegekräfte, Hausfrauen, Gastronomie- und Logistikfachkräfte usw)
  2. aus dem naturwissenschaftlichen und medizinischen Bereich und insbesondere auch aus der IT (Physiker, Chemiker, Biologen, Mediziner, Informatiker / Softwareentwickler, IT-Spezialisten)

Detailfrage: inwiefern gibt es bei den beobachteten Tendenzen (berufliche Monokultivierung und Akademisierung) Abstufungen zwischen den Parteien?

Unten seht ihr die Verteilungen pro Partei, wobei ich aus Gründen der Übersichtlichkeit jeweils die 5 oder 6 in dieser Partei häufigsten Berufsgruppen ausgewählt habe.

Erinnerung: mit de Bundestagsdashboard könnt ihr jederzeit eure eigenen Grafiken erstellen, in der z.B. mehrere Parteien zusammen gefasst werden oder nur die euch interessierten Berufsgruppen angezeigt werden.

Bei der SPD dominieren neben den Juristen die Lehrer und Geisteswissenschaftler
Bei der CDU / CSU dominieren neben den Juristen die Berufspolitiker, Kaufleute und Betriebswirte.
Bei den Grünen dominieren die Volkswirte und Geisteswissenschaftler
Bei der FDP dominieren die Juristen
Bei den Linken dominieren die Geisteswissenschaftler. (rot: Juristen, gelb: Lehrer)

Bundestags Mining – Teil 4

In Teil 3 des BundestagsMining Projektes haben wir uns mithilfe des Bundestags-Report-Generators  mit der Verteilung von Religion und Familienstand der Bundestagsabgeordneten beschäftigt. Folgende Beobachtungen konnten wir dabei machen:

  1. Die Abgeordneten sind ganz überwiegend christlich. Es gibt zwar einen steigenden Anteil an konfessionslosen. Aber während die Konfessionslosen in der BRD mit 39 Prozent den größten Anteil ausmachen, sind es im Bundestag mit 59 von 467, die dazu eine Angabe gemacht haben, gerade mal 13%.
  2. Noch extremer ist die Situation bezüglich des muslimischen Glaubens, die ca 7% der Gesamtbevölkerung ausmachen, während sie im Bundestag gerade mal mit knapp einem Prozent vertreten sind (4 von 467, gemäß der Angaben in unserer Hauptquelle).
  3. Auch hier gibt es starke Unterschiede zwischen den Parteien; erwartungsgemäß haben die Vertreter der CSU mit 74 Prozent einen sehr dominanten katholischen Anteil, während bei den Linken die konfessionslosen überwiegen. Die SPD ist evangelischer als die CDU usw. Nutzt einfach das Bundestags Dashboard, um euch die Zahlen anzugucken, die euch interessieren
  4. Ähnlich eintönig wie die Religionsverteilung ist auch die der familiären Konstellationen: die allermeisten Abgeordneten sind verheiratet und haben 1 bis 3 Kinder. Dabei homogenisiert sich die Verteilung zunehmend in Richtung des „Standardmodells“ mit 2 Kindern. Gerade mal 16% (87 von 559 Abgeordneten, die eine Angabe zu dem Punkt machten) sind ledig, während der Anteil in der Gesamtbevölkerung mehr als doppelt so hoch ist.

Kommen wir nun zum letzten und für diese Untersuchung ja eigentlich ausschlaggebenden Feld: wie sieht es nun aus mit der beruflichen Diversität? stimmt die „gefühlte Wahrheit“, dass fast alle Abgeordneten Juristen und BWLer sind, oder ist das nur ein Trugschluss, weil eher zufällig viele der bekannten Minister aus diesen Bereichen kommen? Ist der Bundestag vielleicht sogar besser als sein Ruf und keine Bubble aus Akademikern und Büroangestellten sondern ein echtes Abbild der Gesellschaft mit all seinen verschiedenen Berufsgruppen und Milieus?

Detailfrage 8: Wie divers ist der Bundestag bezüglich der beruflichen Hintergründe der Abgeordneten?

Sehen wir uns die Häufigkeit aller Berufsangaben in den Originaldaten an, ergibt sich folgendes Bild:

Einerseits bestätigt das halbwegs das Vorurteil (Rechtsanwälte scheinen stark überrepräsentiert zu sein) andererseits ist diese Tabelle so noch gar nicht besonders aussagekräftig; bei über 4000 Abgeordneten ergeben sich nämlich 2201 verschiedene Berufsbezeichnungen, deren Verteilung sich schwer auf einen Blick erfassen lässt.

Das liegt einerseits daran, dass natürlich allgemeine Berufsgruppen unter verschiedenen konkreten Bezeichnungen auftauchen („Rechtsanwalt“ vs. „Jurist“) und andererseits an dem Phänomen, dass viele sehr komplexen und daher einmaligen Berufsbezeichnung aufgelistet sind. So ist bei Annette Schavan ganz sparsam als Beruf folgendes angegeben: „MdL a. D., Ministerin für Kultus, Jugend und Sport a. D., Bundesministerin für Bildung und Forschung a. D.“ und der SPD Abgeordnete Burkhard Lischka ist „Notar, Sprecher für Recht und Verbraucherschutz, Obmann im Parlamentarischen Kontrollgremium, Staatssekretär a. D.“ Mit diesem Beruf ist er denn auch der einzige.

Kurz: um die Verteilung der Berufe sinnvoll auszuwerten, muss ein gutes Mapping her, das spezielle Bezeichnungen (z.B. „Grundschullehrer“, „Hauptschullehrer'“, „Gynmasiallehrer“) zu einer allgemeinen Berufsgruppe (z.B. „Lehrer“) zuordnet. Als guter Data Scientist habe ich lange versucht, auch diese Aufgabe zu automatisieren, indem ich die Berufe in Wordembeddings gesucht und ein Mapping über ein Clustering im niedrigdimensionalen Einbettungsraum versucht habe. Die Cluster der Berufe, die im Embedding (hier: ein vortrainiertes Deutsches GloVe Modell) gefunden wurden, waren per se erfreulich sinnvoll:

Berufscluster auf 300-dimensionalen Embeddings der Berufsbezeichnungen

Dennoch blieb das riesige Problem von unmappbaren, weil überindividualisierten Berufsbezeichnungen (siehe das Beispiel von Annette Schavan).

BundestagsMining – Teil 3

In Teil 2 des BundestagsMining Projektes haben wir uns mithilfe des Bundestags-Report-Generators die Verteilung des Alters und des Geschlechts der Abgeordneten angesehen. Folgende Detailbeobachtung sind dabei heraus gekommen:

  1. Die Verteilung des Alters bei Amtseintritt zu Beginn einer Wahlperiode ist halbwegs normalverteilt mit einem klaren Peak bei etwa 50 Jahren. Das heißt, dass unser Parlament wesentlich älter ist, als die Bürger, die es vertritt.
  2. In den Anfangsjahren der Bundesrepublik war die Verteilung noch relativ divers (viele < 40 oder > 60).
  3. In den 1980er Jahren gab es eine Welle von relativ jungen Abgeordneten (<40), die aber, unter anderem wegen der lange Bleibedauer im Parlament, nur für 10 bis 20 Jahre angehalten hat.
  4. Um die 2000er gab es eine Tendenz zur altersmäßigen Homogenisierung zugunsten der Gruppe der 40 bis 50 Jährigen.
  5. Bezüglich des Geschlechts der Abgeordneten lässt sich ein deutlicher Trend hin zu einem höheren Frauenanteil hin beobachten.
  6. Bezüglich der Geschlechterverteilung gibt es große Unterschiede zwischen den Parteien: während bei der SPD ein nahezu ausgewogenes Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Abgeordneten besteht, scheint es bei der Linken und den Grünen eine Diskriminierung zugunsten der Frauen zu geben, während bei FDP, CDU, CSU und AfD der Männeranteil deutlich über 50% liegt.

Zusammengefasst: unser Parlament ist, wie anfangs vermutet, älter und männlicher als seine Wähler. Es gibt aber bezüglich dieser Beobachtungen große Diskrepanzen bezüglich der zeitlichen Entwicklung (1980er bis 2000er waren die Abgeordneten wesentlich jünger als jetzt) und der Parteien (bei den Grünen und der Linken überwiegt der Frauenanteil).

Kommen wir jetzt zur nächsten Frage:

Detailfrage 6: Wie gut spiegelt sich die Verteilung der Religion der Deutschen im Bundestag wieder?

Kommen wir als nächsten inhaltlichen Punkt zur Religion der Abgeordneten. Die ist tatsächlich noch undiverser als erwartet. Ich dachte schon, es sei auf meine fehlende Bildung zurück zu führen, dass ich faktisch keine nicht-christlichen Abgeordneten benennen kann. Stellt sich heraus: es gibt so gut wie keine.

So sieht die Verteilung der Religionszugehörigkeiten der Abgeordneten über alle Wahlperioden hinweg aggregiert aus:

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